Städtische Galerie Wörth

Besprechung von Gabriele Weingartner, Die Rheinpfalz vom 04.09.07

Hinter der Maske - Assoziationen wecken: Ute Krautkremer in Wörth

Ute Krautkremer, deren Arbeiten in der Galerie Altes Rathaus in Wörth zu sehen sind, beruft sich auf den großen Gerhard Richter. Es gebe vielleicht keinen wesentlichen Unterschied zwischen gegenständlichen und ungegenständlichen Bildern, zitiert sie ihn in einem Text zur Eigen-Interpretation im Internet. Genau so will auch Krautkremer ihr Schaffen sehen: Nicht das reale Abbild stehe im Vordergrund, sondern der Versuch, durch die Verbindung von Abbildhaftem und Abstraktion Assoziationen zu Vorhandenem zu wecken.

Das klingt dann doch - auch sprachlich - abstrakter, als sich die Schau erweist. In der Tat nämlich geschieht dem Betrachter genau das, was die 1958 in Koblenz geborene und an der Uni Mainz ausgebildete Künstlerin ihm verheißen hat: Ihre Skulpturen und Reliefs mit Papier erwecken Assoziationen, deren Details man nicht genau benennen kann. Vielleicht ist das ja die gemeinte Abstraktion: eine gewisse Hilflosigkeit beim Schauen. Geerdete Flugobjekte

In dem Moment aber, wenn man den krampfhaften Deutungswillen aufgibt und nur noch staunt über Krautkremers gestalterische Fantasie und ihren taktisch ausgeklügelten Formwillen, kann man auch frei "bekennen", woran ihre Arbeiten erinnern: An ungekannte Flugobjekte etwa, deren besondere Erdung nicht zuletzt aus ihren fluguntauglichen Formaten herrühren (Serie "Schweben weit"), an sich plötzlich selbstständig machenden Zeichnungen, aus denen sich eine einzige Linie aus einem Gewirr von vielen anderen Linien erhebt und der "Kugel", dem "Nest" Plastizität verleiht (Serie "Drahtbilder"). Befreite Linien, die sich in widerspenstige Drähte verwandeln und trotzdem im Zusammenhang des "Dargestellten" bleiben, ja ihm mit gefälligem Schattenwurf dienen: wo hat man so etwas schon gesehen!

Am interessantesten in der Ausstellung sind zweifellos die Reliefkästen zum Thema Porträt. Negativ-Formen von Gesichtern bieten dort eine eigenwillige Innen-Schau in die menschliche Physiognomie. Gewinnt man absichtsvoll größeren Abstand, wird aus der Negativ- eine Positivform, füllen sich die "blinden Flecken" - Nasen, Wangen, Stirn - sozusagen mit Leben. Am schönsten aber ist es, wenn man den Betrachtungszustand im Changierenden belässt, hin und her wippt also. Dann kann man sich einerseits einbilden, hinter die Maske eines Gesichtes zu schauen, wobei die Maske ja eigentlich das Gesicht ist. Andererseits aber sich auch einbilden, das die Züge des Menschen - je nach dem, in welchem Blickwinkel man sie in Augenschein nimmt - sich ganz leicht entpersonalisieren lassen. "Lucy" also oder "Eva" und "Patricia" für die Species Mensch an sich stehen. Dass es Frauen sind, spielt keine Rolle mehr.

Was Ute Krautkremers abstrakte Papierabgüsse aus der Serie "inside-out" anbelangt, mit denen man gleichfalls optische Spiele veranstalten kann: Nur wer genauer hinschaut, kann entdecken, dass sich die Künstlerin aus einem Baukasten der Formen bedient und diese immer wieder - auch farblich - variiert. Aber es ist ihr eigener Baukasten. Und er wird wohl immer wieder von ihr selber aufgefüllt.